Veränderungen durchsetzen

Veränderungs-Vorhaben unterscheiden sich wesentlich von der Planung und Durchführung anderer Unternehmens-Vorhaben. Sie verlangen mit ihren Übergängen, Fransen und Unschärfen ein besonderes Führungs-Können, das gänzlich anders dimensioniert ist, als das Führen im routinierten Tagesgeschäft. Der führende Mensch, z. B. die Projektleiterin, muss Halt, Grenzen und Klarheit bei gleichzeitig bestehender, heute größter Unsicherheit, vermitteln und dabei Fortschritts-Ergebnisse erzielen.

Widerstände

In aller Regelmäßigkeit werden Führungskräfte mit kräftigen Widerständen, gar Blockaden gegenüber dem Neuen konfrontiert, sehen sich einem enormen Beharrungsvermögen des Bestehenden gegenüber, bemerken häufig ein Sträuben gegen ein „Anders-Machen“ oder begegnen einfachen Trotz-Reaktionen, wollen Sie etwas verändern.

Hohe emotionale Beteiligung und Blick aufs Ganze

Die Themen, die zur Debatte stehen, z. B., wer welchen Rang in der zukünftigen Hierarchie haben wird, wer welche Rolle, Verantwortung und Entscheidungshoheit in einem bestimmten Prozess hat, wer wem unter welchen Bedingungen zuliefert, welche Produkte strategisch in den Fokus gerückt werden, wirken stark auf den Gefühlshaushalt der Mitwirkenden ein. Das macht deutlich, dass Veränderungs-Vorhaben durch eine besonders hohe emotionale Beteiligung der Betroffenen gekennzeichnet sind.

Neuere Forschungen belegen, dass starke Gefühle (Wut, Angst, sexuelle Erregung, Hunger) insbesondere das menschliche Entscheidungsverhalten, d. h. unsere Moral, beeinflussen. Das ist ein gewichtiger, aber oft unterschätzter Einfluss! „… - dass wir alle, unabhängig davon, wie „gut“ wir sind, den Einfluss starker Gefühle auf unser Verhalten unterschätzen. … Selbst der intelligenteste, rationalste Mensch scheint unter dem Einfluss starker Emotionen ein vollkommen anderer zu sein, als er zuvor glaubt.“ (Dan Ariely)

Das Führen muss sich dann in der Lage zeigen, bei Zuständen wie Wut oder Ärger und Verhaltensweisen wie Blockaden oder Sich-Sträuben trotzdem das Gewollte zu erreichen.

Vergleichen wir den „Veränderungs-Führer“, bzw. die „Veränderungs-Führerin“ mit einem Architekten. Zu den guten Entscheidungen eines Architekten gehört, möglichst alle Konsequenzen für das Erleben und Verhalten zukünftiger Bewohner (Mitarbeiter) mit zu bedenken bzw. ein gewünschtes Verhalten durch eine geeignete Architektur zu unterstützen. Der Architekt kann die Toiletten nicht einfach irgendwo hinbauen. Es hängt davon ab! Sollen die Toiletten „Ort der Begegnung“ oder doch nur „Stilles Örtchen“ sein? Das Führen muss also andauernd das Ganze der Unternehmung vor Augen haben, will es verstehen, was im Teil vor sich geht!

Bereits auf dieser Ebene zeigt sich, dass gerade eine anwendungs-, beschreibungs- und alltagsnahe Psychologie wie die Morphologische Psychologie mit ihrer Kenntnis der Werksteller von Verwandlung sehr hilfreich bei Unternehmensentwicklungs-Prozessen sein kann.

Die Projektform

Wir empfehlen für Veränderungsverhaben die, vom Tagesgeschäft abzuhebende, Einrichtung eines Unternehmens-Entwicklungs-Projektes mit einem Steuerungsgremium und mit der Zielsetzung entsprechenden Teil-Projekten.

Die Besetzung von Teams erfolgt nach der Regel: so wenige, wie möglich, so viele, wie nötig; im Zweifel: verzichte. Nur kurz: Die Begründung besteht darin, hier nicht „Statistische Repräsentativität“ als Ausgangspunkt zu nutzen, sondern auf einer „Funktionale-Repräsentativität“ aufzusetzen.

Ein Unternehmens-Entwicklungs-Team als Steuerungsgremium überblickt und steuert sämtliche Projektaktivitäten und ist Letzt-Entscheidungs-Instanz. Dieses Team (UET) besteht in der Regel aus der Geschäfts-Leitung, Führungskräften der ersten und zweiten Ebene sowie qualifizierten Fachspezialisten.

Das UET definiert und beauftragt Teilprojekte (inkl. Rollendefinition), kontrolliert deren Arbeitsergebnisse nach einem Projektplan und den jeweiligen Milestones sukzessive im UET und, wo nötig, werden anhand getroffener Entscheidungen, die Teilprojekte weiter ausgerichtet. Es besteht eine klare Entscheidungs-Architektur.

Alle Projekte bzw. Teil-Projekte unterliegen spezifischen Projektregeln. Dazu weiter unten mehr.

Vier Gründe für die Arbeit in Projektform

  1. Stabiles Tagesgeschäft erhalten

Unserer Ansicht nach brauchen Projekte solche klaren und eindeutigen Entscheidungs-Architekturen. Zum einen ist das wichtig, um projektbezogene Entscheidungsprozesse klar vom Tagesgeschäft zu trennen – und damit das Tagesgeschäft auch während der Phase der Veränderung stabil zu halten.

  1. Herstellung beweglicher Arbeits-Verfassungen sichern

Zum anderen ist das wichtig, weil, wie sich gleich zeigen wird, die Arbeits-Verfassungen von Projektarbeit und Tagegeschäft sich deutlich unterscheiden und die Projekt-Verfassung zu den zentralen „Erfolgs-Garanten“ für gelingende Projektarbeit zählt.

Zeitlich abgrenzbare Verfassungen, wie „Morgendusche“, „Board-Meeting“, „Lenkungs-Kreis“, „Romantik Dinner“, „Kundenbesuch“ oder „Absprache mit dem Sekretariat“, aber auch die Verfassungen für ganze Unternehmen, wie „Start-up“, da liegt es bereits im Wort oder auch „Trübe Belegschaftsstimmung“, bestimmen wesentlich unser Verhalten.

Die Verfassungen sind in ihrer „seelischen Dichte der Maschen“ verschieden durchlässig für bestimmte Aspekte der Wirklichkeit und zeigen entsprechende „Lücken“. Je nach Verfassung, bleibt das Eine oder das Andere „sichtbar“.

Damit regulieren Verfassungen, was für uns in bestimmten Augenblicken, Stunden oder auch Stundenwelten seelisch verfügbar, „bewusst“ wird und was nicht, was wir „denken“ können und was verborgener Zusammenhang bleibt, wie wir uns verhalten können und wie nicht und auch, was wir „erinnern“ können und was nicht.

Wir finden Unternehmen bzw. Unternehmenseinheiten stets bereits in bestimmten Verfassungen vor, die bestimmte Denk- und Verhaltensformen ausschließen, andere Denk- und Verhaltensformen aber, in den Regel implizit, d. h. unbewusst, tradiert und verfestigt haben.

In einem von uns begleiteten Projekt zeigte sich z. B., dass „Preis- und Mengenzwänge“ sich trotz enormer Aufwände zu erhalten suchten, wo eigentlich Raum war für ein solides „Spezialitätengeschäft“.

  1. „Komplettierung“ als inhaltliche Aufgabe bewältigen

Aufgabe von Projekten in Veränderungsprozessen ist es daher, bislang ausgeblendete Aspekte der Wirklichkeit ins Licht zu rücken, wieder „sichtbar“ und damit für den Wirkungsraum des Seelischen wieder verfügbar zu machen, zu komplettieren.

  1. „Widerstandsbearbeitung“ als dynamische Aufgabe bewältigen

Mit der Komplettierung ist es nicht getan. Um diese zu erreichen, müssen Widerstände überwunden, besser, bearbeitet werden. Das liegt an den bereits erwähnten, geschaffenen Verfassungs-Regulierungen, d. h. Widerständen des Unternehmens, die eben bestimmte Aspekte der Wirklichkeit zu Gunsten einer bestehenden Selbstregulation, möge sie noch so aufwendig sein, mit hoher Dynamik ausblenden.

Hier sind wir nahe bei Sigmund Freud, der 1914 in seinem Aufsatz „Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten“ schrieb: „Das Ziel dieser Technik (in unserem Fall: Moderation als Verfahren) ist natürlich unverändert geblieben. Deskriptiv: die Ausfüllung der Lücken der Erinnerung, dynamisch: die Überwindung der Verdrängungswiderstände.“

Projektarbeit muss also erstens einen dynamischen Aspekt abdecken, nämlich einen Arbeitsaufwand bei der Behandlung von Widerständen einkalkulieren und zulassen, was letztlich eine Frage von Zeit ist. Projektarbeit muss zweitens einen inhaltlichen Aspekt abdecken, nämlich einen Arbeitsaufwand bei der Vervollständigung des Bildes vom Unternehmen in seinem Markt im Sinne der Komplettierung zulassen.

Das kann am besten dann geschehen, wenn Projektarbeit es erlaubt, in eine andere, beweglichere Verfassung zu kommen, als sie das Tagesgeschäft ermöglicht. Erst dann kann man, viel flexibler als im engmaschigen Tagesgeschäft, nach neuen Antworten suchen. Das ist also ein wesentlicher Grund für das Vorgehen in Projekt-Form.

Sechs Kennzeichen der Projektbegleitung

 Die Projektarbeit muss sicherstellen, dass eine Klare Steuerung gewährleistet ist, die gleichzeitig Lockerungen zulässt. Es gilt, eine Strategische Vertiefung zu erreichen, indem das Bild von Wirklichkeit Vervollständigung findet. Das findet zwischen Prozessen der Anregung und Verarbeitung  statt.

Ziele der Projektbegleitung

Daher versuchen wir zwei Dinge mit unserer Projektbegleitung zu erreichen:

  • Die Herstellung eines möglichst vollständigen, zusammenhängenden Bildes der Unternehmung in ihrem Markt
  • Die Überwindung von Widerständen zu Gunsten des Mutes, das Neue zu wagen.

„Komplettierung“ wie „Dynamisierung“ zielen letztlich darauf ab, dass

  • Akzeptanz für das Ungewohnte, Neue geschaffen wird und das „System Unternehmen“ von der Wiederholung abweicht
  • das Neue im Gewebe des Herkommens so verankern ist, dass es wirksam wird und bleibt.