Führen als „Aussöhnende Durchsetzung“ von Festlegungen

Umschlägige Verhältnisse

Unzweifelhaft steht die Welt in einem dramatischen Veränderungs-Prozess. „Dramatisch“ soll hier nicht im landläufigen Sinn von „spannend“ Verwendung finden. Vielmehr wird Drama1 als Bewegung, als „umschlägiges Verhältnis eines Handlungsverlaufs“ verstanden, so, als stülpe man eine Socke von innen nach außen um.

Stellt sich die aktuelle Corona-Krise als „dramatisch“ dar, ist zu fragen, welches Verhältnis auf einen „Kipppunkt“, zubewegt wird, „umschlägt“.

Aktuelle Verhältnisse

Es ist unstrittig, dass sich unsere aktuelle Kultur als Globalisierungs-Kultur die größtmögliche Entscheidungsfreiheit und Flexibilität2 erreicht, haben wir doch zur Entscheidungsvorlage regelmäßig beinahe unbegrenzt viele, vergleichbar gute Alternativen.

Was zeigt sich denn als die andere, die zweite Seite von „Entscheidungsfreiheit“ und „Flexibilität“? Das „Bestimmt-Werden“, „die Festlegung“, der „unverrückbare Rahmen“, die „unumgängliche Wand“. Das zeigt sich auch in den Unternehmen, wenn bemerkt wird, dass, „obwohl eigentlich alles da ist, es an der Umsetzung hapert“.

Das wird verständlich, macht man sich klar, dass „Umsetzen“ ein entschiedenes Handeln meint. Ein Handeln, dass eine Sache konsequent umsetzt und das es hinnimmt schuldig zu werden, viele mögliche Optionen nicht umzusetzen. „Der Handelnde ist gewissenlos und wissenlos“, so Nietzsche.

Führungsaufgabe angesichts aktueller Verhältnisse

Was ist in einer solchen kulturellen Lage vornehme Aufgabe des Führens? Ich meine, die „Aussöhnende Durchsetzung“ einmal erfolgter Festlegungen, das sind in der Regel „Entscheidungen“, für die profitable Entwicklung des Unternehmens.

Die „Aussöhnende Durchsetzung“! Das ist nicht >Order and Command< und schon gar nicht „Machtgehabe und Herum-Geschreie“!  Im Folgenden will ich einige Punkte aufführen, die eine Haltung beim Führen verdeutlichen sollen.

Die „Aussöhnende Durchsetzung“

Das Führen ist ein Vorgang, der auf Unterschieden beruht und bei dem sich ein Mensch einem anderen Menschen freiwillig unterordnet. Die Freiwilligkeit der Unterordnung erfolgt auf Grund kulturell bedingter, überwiegend unbewusster Berechtigungen für den Führenden. Diese Berechtigungen speisten sich aus Quellen für Autorität, die heute versiegt (Religion; „Gott ist tot“) oder massiv beschädigt (Erfahrung; „old white men“) sind.

Die Berechtigung der Führenden ist aber Grund-Voraussetzung für die freiwillige, bewusste Einordnung der Mitarbeiter! Das Fehlen von „Berechtigungen“ zum Führen hat erheblichen Einfluss auf das Ausmaß an „Freiwilligkeit“ beim Führungsprozess! Ein Beispiel: Fehlt die Freiwilligkeit, erhöht sich zwangsläufig die Kontrolle, das „Unfreiwillige“ muss ja „willig“ gemacht werden.

Dabei handelt es sich um einen sich selbst verstärkenden, schwer zu durchbrechenden und „zwingenden Handlungskreis“.

Teufelskreis von Freiwilligkeit und Kontrolle

Ich meine Führende müssen heute klar darlegen, was sie zum Führen berechtigt. Sind diese Berechtigungen sinnvoll und nachvollziehbar, kann ein MA sich für eine freiwillige Einordnung entscheiden.

Weitere Aspekte der „Aussöhnenden Durchsetzung“:

  • Freiwilligkeit des „Führens“ wie „Geführt-Werdens“ sicherstellen (anstatt auf Motivation zu hoffen)
  • Ernst-Nehmen des Mitarbeiters garantieren (anstatt Infantilisierung durch
    Game-ifizierung)
  • Zulassen eines gegenseitigen Führens in „Gemeinsamem Werk“, bei gleichzeitiger Weisungsklarheit (anstatt auf „Weißen Ritter“/ „Befehl“ zu setzen)
  • Konsequenzen benennen und hinnehmen (statt auf „Gottgleicheit“ zu setzen oder „Ambidextrie“ zu üben)
  • Dinge geführt, aber gemeinsam zu Ende bringen (statt auf „Besseres zu hoffen“ und immer wieder neu anfangen)
  • Förderung der Perspektiven-Brechung, s.u. (statt „Konflikt-Vermeidung“ und „Silo-Bildung“)

Gemeinsam statt getrennt

Vielen ist aus der Tiefenpsychologie der Begriff „Projektion“ geläufig. Bei diesem Mechanismus wird von einer Person „Eigenes“ in bzw. an einer anderen Person, am „Anderen“ Untergebracht. Das bedeutet, dass Menschen mit anderen Menschen in der Zeit längerfristig angelegte, gemeinsame Werke produzieren! Das öffnet für ein „Führen“ jenseits, als es der „Werkzeugkasten für Führungskräfte“ nahelegt, einen Blick.